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2024-06-22 16:13:30 +02:00
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<title>Totes Leben</title>
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<p>Zurück</p>
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<h2>Totes Leben</h2>
<p class=MsoNormal>Wir haben unser Camp unmitelbar vor dem Wald aufgeschlagen.
Die Sonne scheint warm durch den wolkenlosen Himmel hinab. Es ist wahrlich ein
schöner Sommertag. Weit weg am Horizont ist die Gebirgskette zu erkennen, von
der wir kommen. Vogelgezwitscher und eine leichte Brise begrüsst uns an diesem
Morgen. Dieses fleckchen Erde blieb noch immer unberührt. Kniehohes Grass so
weit das Auge reicht und Bäume in ihrer vollen Pracht. Es ist das Paradies auf
Erden.</p>
<p class=MsoNormal>Doch da ist dieser Wald. Wenn man das schöne Panorama auf
dieser Seite betrachtet, spührt man etwas im Rücken, das dich jederzeit
angreift. Wenn man sich umdreht erspäht man den Wald. Dieser Wald hat bis heute
keinen richtigen Namen und er wird von allem gemieden. Wenn ich diesen Wald
betrachte, durchströmt mich ein Gefühl der Angst. Er ist schwarz und wird stets
von einem Nebel umhüllt. Es scheint so, als würde er alles gute um ihm herum
aussaugen. Sogar das Licht verschwindet in ihm. Wie eine schwarze Lampe, die
statt Licht Dunkelheit verbreitet. Wie ein Geschwür, das sich unaufhörlich
ausbreitet. Es hat schon vieles geschluckt und nicht mehr ausgespuckt. Ganze
Städte wurden förmlich über Nacht aufgegesen. Das Schicksal derjenigen, die
nicht entkommen konnten ist ungewiss, denn niemand kam lebendig aus diesem Wald
spaziert.</p>
<p class=MsoNormal>Vor nicht alzulanger Zeit haben die stärksten Länder auf
unserem Kontinent ihre Ressourcen vereint, um enfdlich herauszufinden, was sich
in diesem verdamten Wald überhaupt abspielt. Man fing mit normalen Wissenschaftler
an doch die kehrten niemals heim. Dann schikte man speziell trainierte Soldaten
hinein doch die Ergebnisse sind ernüchternd. Ganze Einheiten verschwanden samt
ihrer Ausrüstung spurlos. Zu einer solchen Einheit zähle auch ich und wir sind
gerade dabei, in diesen Wald zu gehen. Unsere Mission lautet, dass wir
vermisste Soldaten, die noch ein allerletzten Funkspruch mit ihrer Position
senden konnten, finden und wieder raus bringen. </p>
<p class=MsoNormal>Wir brachen unser Lager ab und machten uns auf den Weg durch
das kniehohe Grass. Es waren etwa zwei Kilometer bis zum Wald. Auf dem Weg
wurde es deutlich kälter und das Vogelgezwitscher verstummte. Die Menge der
toten Bäume häufften sich und hier und da lagen Kadaver von toten Tieren, auf
denen sich merkwürdige Balsen bildeten. Nach einer halben Stunde erreichten wir
den Waldrand. Kein Gras wuchs mehr und wir waren in dicken Nebel gehüllt.
Schwarze Bäume ragten hoch über uns hinweg und verschwanden im Nebel. Es
erweckte den Eindruck, als wäre der gesamte Wald am leben und würde jederzeit
den Mund über uns schliessen und uns verschlingen. Doch nichts geschah. Es war
still. Nichts war zu hören ausser das knacksen toter Äste, wenn einer von uns
mit seinen Stiefeln draufstand. Ich meinte, sogar meinen eigenen Herzschlag zu
hören. Es bildeten sich kleine Wassertröpfchen auf meinem Gesicht, denn der
Nebel wurde nun noch dichter. Wir traten in den schwarzen Vorhang aus Bäumen.
Auf einen Schlag war es eiskalt. Meinen Atem gefror in der Luft und meine Beine
fühlten sich seltsam schwer an. Unser Zugsführer gab uns das Zeichen, dass wir auf
der Hut sein sollten. Wir zogen unsere Sturmgewehre und deckten unsere Seite
ab. Ich war an hinterster Stelle und sorgte dafür, dass uns niemand in den
Rücken fällt. Durch mein Visier checkte ich jede dunkle Stelle ab. Und so
liefen wir stundenlang durch diesen toten Wald. Merkwürdigeweise verschwand der
Nebel und die Sicht wurde klar. Doch das änderte nicht viel, denn es war
stockdunkel und es war nichts als Umrisse zu erkennen. An einigen Stellen, die
einer Lichtung ähnelten, wurde es doch ein ganz wenig heller und vereinzelt
drangen doch noch Lichtsrahlen durch die Blätterdecke, die jedoch gleich
wieder von der Dunkelheit verschlungen wurde. Die Stille biss uns irgendwann
förmlich und es war nicht mehr auszuhalten. Nur einige „Siehst du was?“ oder
„Was zum Teufel ist das?“ brach das Schweigen. Sonst begleitete uns stets das
Rascheln der Blätter und das matschige Geräusch, wenn man in eine Lache trat.</p>
<p class=MsoNormal>Nach stundenlangem Marschieren traffen wir auf grosse ovale
Felsen, die 10 Meter aus dem Boden ragten. Sie waren feucht und ein merkwürdig
regelmässiges Muster war auf dem Felsen zu erkennen. Ich wand den Blick von
Ihnen ab und beobachtete weiter die Umgebung. Plötzlich bebte der Boden. Ich
konnte mich kaum auf den Beinen halten und musste mich an einem Baum abstützen.
Auch die anderen hielten sich nur schwer auf den Beinen. Die Äste wackelten und
warfen ihre Blätter ab. Wir warteten bis es endlich aufhörte, doch es ging
weiter. Und dann sah ich etwas bewegen. Es waren die angeblich festen Felsen,
die ich noch kurz zuvor als merkwürdig gehalten habe. Es waren nähmlich keine
Felsen, sondern riesige Monster, die sich nur eingerollt haben, wie gigantische
Schlange, die sich schlafen gelegt haben. Und wir haben sie aus dem Schlaf
geweckt. Beim Entrollen lösten sich Mos und Erde von den Geschöpfen und sie
wirbelten Staub auf und schleuderten Schlamm in alle Richtungen. Ich brachte
mich endlich in eine einigermassen stabile Lage und entsicherte mein Gewehr. Andere
taten dasselbe und zielten auf das riesige Monster, das sich etwa dreissig
Meter vor uns träge umherwältzte. Ich erkannte dicke Schuppen auf der Haut und
dann konnte ich auch den Kopf sehen. Es war eigentlich gar kein Kopf, sondern
nur ein stumpfes Ende, an dem sich ein hässliches rundes Maul befand, in dem
mehrere Reihen gefärlich spitze Zähne zu sehen war. Wir waren alle bereit, das
Feuer zu eröffnen, doch niemand drückte den Abzug. Der Lärm war ohrenbetäubend
und der Boden bebte immer noch. Ich hielt den Atem an. Bei einer seinen Umwältzungen
rammte das Geschöpf plötzlich ihren hässlichen Kopf in den Boden und wir wurden
von den Beinen gerissen, als der Boden abermals heftig durchgeschüttelt wurde.
Mein Gesicht schlug auf den nassen Waldboden auf. Als ich mich schnellstmöglich
wieder aufrappelte, war das Monster gerade dabei, im Erdboden zu verschwinden.
Als letztes tauchte der Schwanz ab, der gleich wie der Anfang aussah. Der Boden
beruhigte sich allmählich wieder, doch das Geräusch des grabenden Monster war
noch einige Sekunden zu hören bis es verklang. Und dann kehrte wieder die alt
vertraute Stille ein. Jeder von uns war genauso versteinert, wie dieses Monster
vorhin. Der Zugsführer brach zuerst das die Stille. „Wann sind wir denn
endlich bei diesem verdammten Signal?“ Jetzt lösten sich auch andere und
blickten einander an, als ob sie sich erkären könnten, was sie gerade gesehen
haben.</p>
<p class=MsoNormal>Es stellte sich heraus, dass es wenigstens nicht mehr weit
war. Noch von diesem Ereignis noch betäubt, setzten wir unseren Weg fort. Es
ging leicht einen Hügel hinauf und wir kamen nur müssig voran. Langsam gefror
mir die Füsse ein, denn ich spürte sie kaum noch. Nach einer kleinen
Kletterpartie war ich vollkommen erschöpft und wir legten eine kleine Pause
ein. Doch ich erholte mich nicht wirklich. Vor allem weil wir unsere Rast
mitten in einem verfallenen Dorf machten. Es war so dunkel, dass man nicht
erkennen konnte, was sich in den offenen Türen und Fenster abspielte. Aus jeder
Ecke hätte irgendein hässliches Wesen auf uns losgehen können. Und andererseits
war immer noch diese Stille. Es ist einfach nicht auszuhalten. Nichts ist zu
hören. Keine Tiergeräusche, kein Plätschern von Wasser, sogar die Blätter auf
den Bäumen scheinen nicht zu rascheln. Mal abgesehen davon, dass die Baumkronen
im Nebel verschwinden und gar nicht zu erkennen sind. Was erwartet uns denn
noch in diesem Wald? Nach unserem Halt ging es einen Abhang entlang. Ich
dachte, wir müssten schon wieder stundenlang umher marschieren, doch in diesem
Augenblick entdeckte ich etwas nicht weit von unserer Position. Vor uns mitten
auf dem Weg war ein anderes Lager aufgeschlagen. Auch andere von meiner Einheit
waren darauf aufmerksam geworden und wir näherten uns mit Vorsicht. Zwei Zelte
und in der Mitte eine gelöschte Feuerstelle. Die Kohle war kalt und nass, die
Zelte durchlöchert und voll mit altem Laub. Wir entdeckten sogar noch ein
drittes weiter entfernt, das total zerfetzt wurde und daneben einen Helm. Auf
der Innenseite war der Name des dazugehörigen Soldaten zu lesen, es war einer,
den wir suchten. Ich bezweifelte stark, dass der noch lebte. Wir suchten noch
kurze Zeit in der Umgebung, doch es war nichts Weiteres zu finden. Wenn die
noch leben, wo sind die dann hingegangen und warum hätten sie ihre ganze Ausrüstung
liegen gelassen? Das machte für mich keinen Sinn und für die anderen
höchstwahrscheinlich genau so wenig. Ich glaubte, wir können diese Übung
abbrechen. Ich machte mich auf dem Weg zurück zur verloschen Feuerstelle, wo
sich auch die anderen aufhielten. Dann kam ein Geräusch auf. Es klingt wie ein
entferntes Rauschen, wie ein sanfter Winder, der durch die Bäume zieht. Ein
normales Geräusch, wohl wahr, doch nicht in diesem Wald. Hier klingt es fremd
und bedrohlich. Verdammt bedrohlich. Ich blieb stehen und lauschte, drehte mich
um und wollte das Geräusch lokalisieren, doch es schien von überall
herzukommen. Die anderen schienen es nicht zu bemerken und liefen normal
weiter. Spielt mein Verstand nun verrückt? Ich beschleunigte meinen Schritt.
Der Klang blieb immer noch leicht im Hintergrund, als wäre es gar nicht hier.
Ich ging schneller. Beim Lagerfeuer angekommen wartete ich auf weitere
Anweisungen und hoffte inständig, dass der Zugsführer einfach die Mission als
fehlgeschlagen beendete und wir hier endlich verschwinden können. Als wir uns
alle versammelt hatten, trat unser Führer hervor und fing an zu sprechen. Doch
ich konnte seinen Worten nicht folgen. Das Rauschen im Hintergrund war immer
noch anwesend und schnitt seine Worte ab, ehe sie mich erreichen konnten. Was
ist nur los? Plötzlich schwellte das Rauschen an. Es kam irgendwie näher. Jetzt
drehten auch andere ihre Köpfe verwundert in alle Richtungen, doch es schien
noch immer nicht jeder zu hören. Unser Führer sprach immer noch weiter, aber ich
konnte ihn nun gar nicht mehr hören. Ich hielt meine Ohren zu, doch es half
nichts. Das Geräusch kam näher und näher. Irgendwann meinte ich, einzelne
Schreie zu hören. Verzweifelte Laute voller Schrecken und Angst. Wie die
Stimmen von tausend Leuten, die gerade immer und immer wieder ihren letzten
schmerzvollen Augenblick ihres Leben durchspielen. Endlich hörte auch der
Leiter auf zu sprechen und sah sich um. Jeder tat das. Das ist definitiv nicht
normal. Ich erkannte nun deutlich einzelne Schreie aus dem Geräusch, die nur
kurz aufschwellten und dann kurz darauf gleich wieder im Rauschen verschwand.
Wir gingen abermals in Angriffsbereitschaft über. Ich zog man Sturmgewehr und
entsicherte es. Meine Augen gingen jeden dunklen Ecken durch, doch ich erkannte
nichts. Es war einfach zu dunkel und diese Schreie setzten sich in meinem Kopf
fest. Ich hörte sie unmittelbar vor mir. Jemand schreit mir voll ins Gesicht,
aber ich sehe ihn nicht. Schweiss bildete sich auf meiner Stirn, obwohl es
arschkalt war. Ich klammerte mich an mein Gewehr. Ein unvermittelter Knall
drang durch das Rauschen. Etwas surrte schnell und Einer von unseren Reihen
wurde von den Beinen gerissen und drei Meter in die Luft katapultiert, ehe er
im Dunklen verschwand. „Deckung!“ schrie jemand und alle rannten umher. Ich
lief zu einem toten Baustamm und schmiss mich dahinter. Danach hielt ich den
Lauf meines Gewehrs in die Richtung, von der ich meint den Schuss gehört zu
haben. Aber durch das Visier war nichts zu erkennen. Die anderen suchten ebenso
verzweifelt nach dem vermeintlichen Schützen. Ich dachte für eine kurzen
Augenblick, einer von uns hätte den Schuss abgefeuert, doch dann hätte es
keinen von uns erwischt. Das Geräusch verwandelte sich in einzelne Schreie und
die kamen von allen Seiten, wir waren davon umzingelt. Es knallte abermals, ein
surren und wieder wurde einer von uns getroffen. Er wurde von einem hellen
blauen Strahl begleitet und verfehlte meinen Kopf nur um wenige Zentimeter. Der
Getroffene wurde in die Luft geschleudert, doch sein Flug beendete ein
Baumstamm, in den er knallte. Als er auf den Boden aufschlug, blieb er
regungslos liegen. Doch ich achtete nicht wirklich darauf. Als der Schütze
seinen Schuss abfeuerte, wurde seine Umgebung kurzzeitig erhelt und ich konnte
ihn erkennen. Ich riss mein Sturmgewehr rüber, zielte und drückte den Abzug.
Ich war der erste von uns, der feuerte. Ich feuerte Kugel nach Kugel ab, ohne
meinen Gegner wirklich zu erkennen. Doch während ich feuerte ging mir der
Umriss des Schützen nicht aus den Augen. Es war kein Mensch, auf den ich
schoss. Schon seine Körpergrösse war mindestens über zwei Meter. Und seinen
spitzer Kopf verlängerte die Grösse nochmal um einen halben Meter. Seine Arme
und Beine waren ebenso überlang. War dieses Ding die Ursache für die immer noch
anhaltenden Schreie? Von weitem konnte ich auch keine Waffe erkennen, doch es
war zweifelsohne dieses Wesen. Nach ein paar Schüssen legte ich eine Pause ein
um zu sehen, ob ich überhaupt etwas bewirkte. Dann sah ich, dass sein Arm
plötzlich anzuschwellen begang und länger wurde. Er richtete damit wie einen
langer Zeigfinger auf mich, als ob er damit sagen wollte, dass ich der nächste
bin. Ich schmiss mich sofort wieder hinter den Baumstamm und gleichzeitig
knallte es. Der blaue Strahl „surrte“ über mich hinweg, quer über das
verlassene Lager, an mehreren Soldaten vorbei und schlug dann in einen Baum
ein. Der Stamm splitterte und einen grossen Stück Holz wurde aus dem Baum
gerissen. Die Splitter flogen bis zu mir und klopften auf meinen Helm. Laub
wirbelte durch die Luft. Ich hatte keine Ahnung, was das für eine Waffe sein
sollte, doch es war definitiv nicht von dieser Welt. </p>
<p class=MsoNormal>„Rückzug!“ War zu hören und alle wendeten sich ab und
rannten in die entgegengesetzte Richtung. Dieses eine Wesen hatte innerhalb
nicht mal einer Minute zwei von uns getötet und beinahe hat es auch mich
erwischt. Ich ging von meiner Deckung hervor und rannte los. Bei einem kurzen
Blick zurück, konnte ich das Monster schon wieder nicht erkennen oder es war
verschwunden. Ich rannte zu den anderen und wir bildeten eine Formation.
Zusammen liefen wir so schnell wie möglich den Weg zurück, den wir kamen, doch
diese Schreie hörten einfach nicht auf. Sie waren immer noch überall aber doch
nirgends. Wir rannten immer noch. Wir kamen an dem zerstörten Dorf vorbei und
verliessen es dann gleich wieder. Ich blickte immer wieder zurück, um
sicherzugehen, dass diese Tier uns nicht verfolgte. Erleichternd stellte ich
fest, dass die Schreie langsam verstummten. Auch die anderen waren sichtlich beruhigt.
Wir reduzierten unser Schritttempo ein wenig. Das nächste Ziel wäre dann,
diesen verfluchten Wald zu verlassen. Obwohl eigentlich keine Gefahr mehr
bestand, liess mich der misstrauische Gedanke nicht los, dass es noch nicht
vorbei war. Solch ein Lärm an einem Ort, an dem es totenstill ist, kann doch
nicht unbemerkt gewesen sein. Ich blickte an den Baumstämmen hoch an die
Stelle, an der sich eigentlich der Himmel hätte befinden sollen. Anstelle
blickte ich nur auf eine dunkelgraue Nebeldecke, in die sich lange dünne
schwarze Stämme wie Finger erstreckten. Ich dachte an die Soldaten, die spurlos
verschwunden waren und auch an dieses seltsame Monster, das uns angegriffen
hatte. Sind die Männer etwa auf die gleiche Weise umgekommen wie die aus meiner
Einheit? Was lebt denn noch alles in diesem Wald?</p>
<p class=MsoNormal>Wir kamen zu der Stelle, an der die riesigen Würmer uns das
erste Mal demonstriert haben, was hier so haust. Es kann nicht mehr weit bis
zum Ende sein. Ich bekam schon das Mistrauen los, doch das sollte sich als
Fehler herausstellen. Im Augenwinkel meinte ich etwas gesehen zu haben. Ich
drehte meinen Kopf, blickte jedoch nur in schwarze Leere. Ich folgte weiter
meinen Kameraden, als wieder etwas auftauchte, dieses Mal jedoch von einem
Geräusch begleitet. Wie wenn ein Tier schnell vor einem Fressfeind durch
Gebüsch und Sträucher flieht. Jedoch kam dieses Geräusch direkt auf uns zu. Und
noch eins. Überall raschelten Blätter und Sträucher. Ich machte mich bereit.
Wir gingen in Formation und beschleunigten unser Tempo. Meine Waffe fühlte sich
kalt an und sie lag schwer in meiner Hand. „Achtung!“ Schüsse fielen und jemand
schrie. Es knallte noch ein paar mal und noch ein Schrei ertönte. Und noch
einer. Ich drehte mich um und erkannte, dass keiner von uns getroffen wurde und
dass einige von uns auf irgendetwas schossen. Die Schreie mehrten sich, bis sie
nicht mehr zu unterscheiden waren. Plötzlich war etwas in meinem Blickfeld.
Jemand rannte auf mich zu im vollen Sprint. Ich zielte direkt auf ihn. Er
rannte wie ein Verrückter, unermüdlich. Das spezielle daran war, dass es ein
Mensch war. Ich konnte seine Kleidung klar erkennen. Und dann riss er sein Mund
auf. Im ersten Augenblick dachte ich, dass sein Kiefer abfallen würde. Man
hätte damit locker ein ganzes Stück Torte auf einmal verdrücken können. Doch
aus diesem Mund ertönte ein weiterer Schrei. Ein Schrei direkt aus der Hölle.
Es durchdrang mich wie Schwerter und meine Seele erschütterte. Ich drückte den
Abzug. Leere Hülsen spickten aus dem Gewehr und der Schrei verstarb. Die Person
brach im Sprint zusammen, überschlug sich wenige Male im Laub und kam direkt
vor meinen Füssen zum Stillstand. Aber es waren immer noch unendlich weitere
Schreie zu hören, sie kommen von überall her. Jeder von uns schoss mit seinem
Gewehr auf schreiende Leute, die einfach mit weit aufgerissenen Mund auf uns
zurannten. Noch einer kam auf mich los als wäre es das letzte in seinem Leben,
was er tun würde. Und das war es auch. Der Schrei verstummte. Als ich von der
Leiche aufsah und weiter in die Ferne blickte, sah etwas Grausames. Eine
riesige Horde näherte uns. Es waren hunderte, wenn nicht tausende die mit
demselben unnatürlich aufgerissenen Mund auf uns losgingen. Es dröhnte und der
Boden vibrierte. „Lauft!“ einige hörten auf zu schiessen und blickte auf die
unfassbare Masse, die sich wie eine Sturzwelle uns näherte. Jetzt rannten auch
wir. Einer wollte mich gerade von der Seite packen, doch ich verhinderte das
und durchlöcherte ihn. Dieser kam mir sogar so nahe, dass ich sein Gesicht
erkennen konnte. Ich zweifelte daran, dass in diesen Personen noch irgendetwas
menschliches übrig war. Ihre Augen glühten in einem tiefen Rot und ihre Haut
war schwarz und zerfallen. Es war ein Wunder, dass diese Menschen nicht
komplett zerfielen. Aber ich machte mir keine weiteren Gedanken, sondern rannte
nur. Zwischendurch lud ich ein neues Magazin in mein Gewehr oder ich schoss auf
gefährlich nahekommende „Leute“. Irgendwie klappten sie einfach zusammen, wenn
man auf sie feuerte. Wahrscheinlich weil sie sowieso schon tot waren. aber für
jeden Ausgeschalteten kamen fünf Neue dazu. Der Waldrand konnte nicht mehr weit
sein. Auf einen Schlag kam so ein Ding aus einer dunklen Ecke hervorgesprungen
und packte den Soldaten direkt vor mir. Er wurde auf den Boden gerissen mit dem
Monster auf seinem Bauch. Im ersten Moment dachte ich, es wäre aus mit ihm,
doch der Mann konnte noch sein Gewehr zwischen sich bringen und versuchte
verzweifelt das Ding von ihm abzuschütteln. Aber es schrie im selben grausamen
Ton wie alle anderen und streckte seine verkrüppelten Hände nach seinem
Gesicht, konnte es aber nicht erreichen. Ich drehte mich um und ging
unmittelbar vor die beiden Kämpfenden. Ich richtete mein Gewehr auf das Wesen.
Es hatte ein kariertes Hemd an, doch seine Hose war zerfetzt und fast nicht
mehr vorhanden. Vielleicht war es einmal ein Familienvater. Ich gab eine Salve
in seinen Kopf ab. Der halbe Schädel wurde aufgerissen, doch kein Blut
spritzte. Eine Staubwolke war alles, was aus diesem Ding hervorkam. Der Soldat
am Boden stiess hastig den Körper von sich weg und wollte sich aufrappeln. Das
vibrieren von der Horde wurde heftiger und auch die Geräusche schwollen an. Ich
konnte meine anderen Kameraden fast nicht mehr sehen. Schnell zog ich ihn auf
die Beine und wir folgten den Anderen. Irgendwann müssen wir doch mal hier
rauskommen. Ich rannte so schnell wie meine Beine konnten, über Stock und
Stein. Mehrmals stolperte ich fast. Irgendwann kam es mir so vor, als befänden
sich die Aberhunderten direkt hinter mir und würden mich im nächsten Moment am
Kragen packen. Ich hörte nicht mehr auf die immer lauter werdende Horde hinter
mir. Etwa fünfzig Meter vor mir sah ich dann das Ende. Der dicke weisse Nebel
war immer noch da. Anders als bei der Ankunft war das nun ein willkommener
Anblick. Ich hatte nur noch den Ausweg vor Augen. Sträucher und tote Äste
schlugen mir ins Gesicht, doch das war mir egal. Und plötzlich war ich
draussen. Keine Bäume versperrten mir das Blickfeld, stattdessen der Nebel. Ein
leichte Brise wehte mir ins Gesicht. Meine Kameraden verschwanden im Nebel vor
mir. Ich rannte Ihnen hinterher, doch dann fiel mir etwas auf. Es war rein gar
nichts mehr zu hören. Das Dröhnen und all die Schreie waren weg. Als hätten sie
nie existiert. Ich blieb stehen und lauschte. Ich drehte mich um und blickte
auf den schwarzen Waldrand etwa zehn Meter vor mir. Was ich sah, erschreckte
mich. Ich ging ein paar Schritte darauf zu, um es besser erkennen zu können.
Ich sah hunderte im gleichen Tempo wie vorhin auf uns zuspringen, aber gerade
in dem Moment, als sie aus dem Wald traten, lösten sie sich auf. Wie verbrennendes
Papier zerfielen sie in kleinste Teilchen und wurden vom Winde verweht. Die
Gesichter waren für kurze Zeit zu erkennen, ehe sie in Staub zerfielen. Danach
kam ein anderer nach und das selbe passierte. Und noch einer. Es hörte nicht
mehr auf. Die Fetzten schwebten lautlos an mir vorbei. Ich konnte den Blick
nicht abwenden. Pro Sekunde lösten sich hier mehrere Duzend Leute auf. Obwohl
sie nicht mehr viel mit Menschen gemeinsam hatten, waren sie zweifelsohne
einmal welche. Es hörte nicht mehr auf. Die Luft war nun voll mit kleinen
glühenden Fetzten, die von den Menschen stammten. Sie schwebten überall umher
und geleiteten langsam wie Schneeflocken auf den Boden. </p>
<p class=MsoNormal>Ich wendete mich ab. Was ist das für ein Wald? Wie ist er
entstanden und warum ist er hier? Das alles fühlte sich nicht real an. Ich lief
langsam los. Ich blickte nicht zurück, denn ich wusste genau, dass sich in
meinem Rücken immer noch das selbe abspielt. Ich überlegte mir, wie es wohl
aussähe, wenn die ganze Welt von dem Wald verschlungen wäre. Wir können es
nicht aufhalten. Es wurde wärmer und der Nebel löste sich auf. Meine Einheit
wartete auf mich. Unsere Mission war gescheitert.</p>
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