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2024-06-22 16:13:30 +02:00
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<title>Das Traumschloss</title>
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<p>Zurück</p>
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<h2>Das Traumschloss</h2>
<p class=MsoNormal>Die Nacht war so dunkel wie der Rabe schwarz ist. Der Mond
schien hell durch die dünne Wolkenschicht und beleuchtete damit ein bewaldetes
Tal. Die dahinterstehenden Berge waren schwach an den Umrissen zu erkennen. Das
kleine Tal könnte tagsüber sicherlich einladend gewesen sein, doch heute Nacht hatte
es etwas sehr Bedrohliches an sich. Ein Nebelfilm legte sich über das gesamte
Tal und wer weiss, was sich dort alles tummelte.</p>
<p class=MsoNormal>Ich fühlte mich nicht sehr wohl als ich einen bepflasterten
Weg an einem Berghang folgte. Dabei begleitete mich das gewaltige Panorama des
Tales.</p>
<p class=MsoNormal>Nach kurzer Zeit erreichte ich es: ein riesiges Schloss. Es
befanden sich unmittelbar vor einem felsigen Abhang und erstreckt sich in den
Wald hinein. Es war nicht zu erkennen, wie lang diese Gebäude war, da das Ende
nicht zu erkennen war. Die Fassade des Gebäudes war genauso schwarz wie die
Umliegende Natur. Es fügte sich perfekt in ihre Umgebung ein, war sogar für das
unachtsame Auge nicht auszumachen. Nur ein paar vereinzelte beleuchtete Fenster
verrieten, dass an dieser Stelle ein gigantisches Gebäude auf mich wartete.</p>
<p class=MsoNormal>Irgendwie schien diese Gebäude schon Ewigkeiten an diesem
Ort zu existieren. Eine merkwürdige Aura umgab das Schloss, es erweckte den
Eindruck, als ob es einen eigenen Willen hätte. Eine kleine edle Treppe führte
zur Eingangstüre. Die Ecken bildeten zwei enorme Türme, die bis in die
Wolkendecke ragten, genau so schwarz wie der Nachthimmel. Beide Türme waren
gespickt mit unzähligen steinernen Figuren, die das Tal beobachteten. Die Türe
war, wie alles hier, auch übergross.</p>
<p class=MsoNormal>Ich hörte Festgeräusche im Inneren. Beim Eintreten
überflutete mich eine Welle von Licht. Ein schöner Eingangsbereich begrüsste
mich, eine Treppe mit einem roten Teppich führte zu einer zweiten, normaleren
Tür, die zum Fest zu führen schien. Der Raum war grosszügig verziert und
überall an den Wänden hingen Portraits von irgendwelchen Adligen und hier und
da standen Stühle und Tische, Vasen in Ecken und in einem Kaminfeuer brannte
wollig ein kleines Feuer. Es war ein sehr gepflegter Raum, und doch war noch niemand
hier.</p>
<p class=MsoNormal>Ich trat nun ein und hielt auf die Tür vor uns zu. Sie war
nicht abgeschlossen und wir öffneten sie. Wie erwartet, fand hier ein Fest
statt. Ein <span class=SpellE>Meer</span> an Meschen, dicht aneinandergedrängt
erfüllte die Luft mit ihrem Geschwätz. Man konnte einzelne Gesprächsfetzen
erkennen, die aber sogleich wieder im Lärm verschwand. Unterstrichen wurde das
monotone Gesprächsgemisch von klassischer Musik, die von überall her zu kommen
schien. Das andere Ende des Saales war fast nicht zu erkennen, aber dort befand
sich auf jeden Fall eine weitere Türe. </p>
<p class=MsoNormal>Ein goldener Kronleuchter hängte mitten im Saal. Mit seinem
geschwungenen Design sah er fast lebendig aus. Als ich den Ketten, an dem er
hängte mit den Augen folgte, verlor ich sie in einer endlos hohen Decke. Die
Decke war so hoch, dass sich sogar schon Wolken im Inneren des Gebäudes
gebildet hatten. An den Wänden hängten wie schon im Vorraum Bilder. Je höher
die Wand wurde, desto kurioser wurden auch die Bilder und Figuren, die darin
dargestellt gewesen sind, bis sie nicht mehr zu erkennen waren. Wer weiss, was
für Bilder in dieser unendlichen Höhe noch hängen mögen. Der Saal war für seine
Grösse aber trotzdem prall gefüllt und die Gäste tanzten und redeten
miteinander. Sie waren alle festlich gekleidet.</p>
<p class=MsoNormal>Auf dem Weg zur anderen Türe beachteten sie mich nicht,
obwohl man mir anmerkte, dass ich nicht in so ein Fest gehörte. Sie machten mir
zwar Platz, wenn ich mich zwischen sie hindurchzwängte, doch niemand blickte mir
in die Augen oder nahm Notiz von mir. Einmal gesehen, waren wir anscheinend schon
wieder aus ihrem Gedächtnis gelöscht und sie widmeten sich wieder ihren
persönlichen Angelegenheiten.</p>
<p class=MsoNormal>Nach kurzer Zeit habe ich die Tür an der anderen Seite
erreicht. Doch diese war anders. Sie war in einem bogenartigen Gewölbe
eingelassen und hatte eine normale Grösse. Ausserdem war sie mit einem blutigen
Rot gestrichen. In der Mitte der Türe befand sich ein Schlüsselloch. Nach einem
kurzen Versuch, die Tür zu öffnen, machten ich mich auf die Suche nach dem
Schlüssel. Er muss irgendwo in diesem Raum sein.</p>
<p class=MsoNormal>Auf der Suche stiess ich auf eine Reihe Miniatur-Häuschen.
Sie waren alle einzigartig und jedes Einzelne wurde sehr sorgfältig
angefertigt. Sogar die Innenausstattung fehlte nicht. Es hätten kleine Menschen
darin Leben können. </p>
<p class=MsoNormal>Nach kurzer Bewunderung des kleinen Handwerks, liess ich es
hinter mir, als gleich nochmals etwas Unglaubliches meinen Blick einfing. In
einer Nische, die in der Wand eingelassen war, stand ein uralter Baum. Seine
Baumkrone reichte fast ein Viertel in den Saal hinein, was doch eine
beträchtliche Distanz war.</p>
<p class=MsoNormal>Meine Suche nach dem Schlüssel ging weiter. Ich wusste
nicht, wie lange und wo ich überall gesucht hatte, doch nach einem Blick in so
ein Miniatur-Häuschen fiel mir etwas Eigenartiges auf: Anstelle von den sonst üblichen
kleinen Möbeln stand in einem der Modelle zwei grössere Schachfiguren. Könnten
das die gesuchten Schlüssel sein? Eines der Figuren war eine Dame, deren Holz
dunkel und schön lackiert war. Die zweite Figur war ein Läufer, eher kleiner und
heller. Beide waren schlicht gefertigt, aber jede Rundung und jede Einkerbung
im Holz war sorgfältig verarbeitet worden.</p>
<p class=MsoNormal>Ich öffnete das Fenster und nahm die Figuren heraus. Sie
waren etwas grösser als gedacht, sie füllten fast meine ganze Hand aus. Es war
nun an der Zeit, die blutrote Tür zu öffnen.</p>
<p class=MsoNormal>Ich zwängte mich wieder durch die Gäste, die immer noch wie
Attrappen umherliefen. An der Tür angekommen steckte ich den Schlüssel in das
Schloss. Er passte perfekt.</p>
<p class=MsoNormal>In der Türe wurde ein komplizierter Mechanismus in Gang
gesetzt. Es stellte sich heraus, dass die ganze Tür aus Zahnrädern und Kolben
bestand, die sich nun in der Tür umherbewegten, begleitet von einem wirren
Geräusch der arbeitenden Komponenten. Nach kurzer Zeit endete der Vorgang und
die Kolben kamen zum Stillstand und das Rattern verstummte.</p>
<p class=MsoNormal>Einige Gäste warfen einen flüchtigen Blick auf mich, gingen
dann aber schnell wieder weiter. Ihre Blicke waren von Misstrauen erfüllt. Ich
bekam das Gefühl, dass diese Leute, oder besser gesagt, dieses ganze Gebäude, mich
nicht gehen lassen will. Das war alles wie ein Spiel. Es lief mir kalte den
Rücken hinunter, als ich diese Blicke bemerkte.</p>
<p class=MsoNormal>Ein Versuch, die Tür aufzudrücken, scheiterte. Sie rührte
sich keinen Millimeter. Der zweite Schlüssel musste wohl auch verwendet werden.
Ich wollte ihn gerade hervorholen, doch er war nicht mehr bei mir. Wo ist er? Ich suchte verzweifelt in der
näheren Umgebung. Und dann sah ich ihn. Er lag direkt vor den Füssen einer
Frau, die allein am Tisch sass und ihren Tee trank. Die Blicke der Gäste
häuften sich immer mehr. Obwohl ich mich nicht merkwürdig verhielt, machte ich
scheinbar etwas, was den Gästen ganz und gar nicht passte. Grosses Unbehagen
überkam mich. Wenn ich nun den zweiten Schlüssel direkt vor einem solchen Wesen
wegschnappe, könnte die ganze Lage eskalieren. Aber ich hatte keine andere
Wahl.</p>
<p class=MsoNormal>Ich ging langsam zur Frau. Unterwegs trafen mich immer
wieder diese flüchtigen Blicke der Gäste. Ich stand nun direkt vor der Frau.
Als ich mich gerade bücken wollte, hob sie selbst die Schachfigur auf. Es war
die Dame. Die Frau betrachtete die Figur sehr eindringlich, und dann reichte
sie sie mir mit den Worten: „Du hast nicht mehr viel Zeit...“</p>
<p class=MsoNormal>Ohne viel zu hinterfragen, eilte ich wieder zur Tür. Die
Gäste wurden immer unruhiger. Einige blickten mir schon nach oder rümpften die
Nasen. Endlich an der Tür, steckte ich den Schlüssel in das Schloss, zögerte
dann aber. Was passiert, wenn ich nun die Tür öffne? Auf jeden Fall nichts Gutes.
Dieses Schloss lässt mich nicht einfach so gehen. Sie wird mich irgendwie
aufhalten wollen.</p>
<p class=MsoNormal>Ich drehte die Schachfigur langsam, bis es leise klickte.
Dabei spürte ich deutlich, wie der Schlüssel seine Arbeit tat. Der Mechanismus
setzte fort, die Kolben und Zahnräder drehten weiter, bewegten sich. Es war
wahrlich ein schöner Anblick, wie jedes Glied dieser Türe zusammenarbeitete und
alles funktionierte. Wieder verging ein bisschen Zeit, bis der Vorgang mit
einem lauten Einrasten eines Kolbens beendet wurde. Der Knall breitete sich im
ganzen Saal aus, wurde von den Wänden wieder reflektiert und ging bis in das
unendliche der Decke. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Nachhall
verklungen war, und dann war es still im Saal. Totenstill. Jeder im Saal blieb
wie angewurzelt stehen und durchbohrte mich mit ihren ausdruckslosen Blicken
wie Schwerter. Niemand rührte sich. Ich muss hier raus!</p>
<p class=MsoNormal>Ich zog die Figur schnell wieder aus dem Schloss und stiess
die Tür in der Mitte auf. Dahinter war ein kleiner Raum, ähnlich wie der am
Eingang. Doch das kümmerte mich wenig. Ich rannte nun los. Die Treppe hinab und
den Gang entlang. Ich rannte an unzähligen Bildern, Tische und Stühle vorbei.
Wenn hier nicht alles so verrückt wäre, könnte es sich hier gut leben lassen.
Ich blickte zurück und sah die Gäste aus dem Saal direkt hinter mir, aber sie
rannten nicht, sie liefen nur ganz normal und doch blieben sie mir dicht auf
den Fersen. Ihre Gesichter waren genauso ausdruckslos wie vorher, wie Puppen,
die bloss an Fäden gezogen werden.</p>
<p class=MsoNormal>Es kam eine neue Tür. Dieses Mal ein grüne mit demselben
Schlüsselloch in der Mitte wie die rote gehabt hatte. Wahllos steckte ich eine
der beiden Schachfiguren in das Schlüsselloch und drehte ihn. Es klickte und
ein Mechanismus setzte ein. Es war aber ein wesentlich Kürzerer. Ich stiess sie
wieder auf und rannte weiter, ohne einen Blick nach hinten zu werfen.</p>
<p class=MsoNormal>Weiter vorne erkannte ich ein Ausgang. Ich gelangte in einen
Innenhof des Schlosses. Es war immer noch Nacht und der Mond beleuchtete
schwach die Berge am Horizont. Im Innenhof wuchsen zwei riesige Bäume. Sie
waren schneeweiss und schienen die ganze Umgebung zu beleuchten. Wer weiss wie
lange die hier schon stehen. Eine Mauer schloss den ganzen Innenhof ein.</p>
<p class=MsoNormal>Ich rannte unter den Bäumen hindurch, zum anderen Ende des
Hofes. Dort erwartete mich wieder zwei weiter Türen. Beide Schlüssel passten
auf jeden Fall in einen von beiden. Ich blickte nochmal zurück und stellte
erleichtert fest, dass wir etwas Vorsprung zu den Verfolgern gewonnen haben.<br>
Ich rannte geradewegs zur linken Tür in der Mauer. Ich zog die Schachfigur
hervor und betrachtete sie nochmals für einen kurzen Augenblick: eine schwarze
Dame.</p>
<p class=MsoNormal>Ich steckte sie in das Schloss. Doch ehe ich sie umdrehen
konnte, griffen kleine eiserne Zangen, die aus der Tür hervorkamen, nach dem
Schlüssel und zogen ihn anschliessend in das Schloss hinein. Die Tür öffnete
sich und gab den Weg frei. Ich blickte zurück und sah die ferngesteuerten Gäste
auf uns zukommen.</p>
<p class=MsoNormal>Durch die offene Tür rannte ich hinaus, und ich gelangte auf
einen gleichen bepflasterten Weg wie der, auf dem wir angekommen sind. Am
Waldrand blieb ich stehen, irgendetwas stimmt nicht. Ich drehte mich um und sah
die offene Tür. Dahinter das riesige in Nebel gehüllte Schloss, das von der
Nacht verschluckt wurde. Sind die anderen auch entkommen? Vor der offenen Tür
standen die Leute vom Festsaal und starrten mich an. Sie schienen nicht einmal
zu blinzeln. Aber wenigstens verfolgten Sie mir nicht mehr. Was sind das für Wesen?
Ich blieb noch für kurze Zeit stehen und drehte mich dann wieder dem dunklen
Wald entgegen.</p>
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