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Sunset DUE

„Wie lange noch bis zum Ziel?“

„Noch dreitausendzweihundertsechsundfünfzig Tage und sieben Stunden“ gab mir nach einer kurzen Pause eine Frauenstimme zurück, die sehr beruhigend klang. Ich lehnte mich in den Stuhl zurück und trank einen Schluck heisse Schokolade aus meiner Tasse. Sanft stellte ich sie wieder zurück und blickte aus dem Fenster in die Sterne. Es war ein wunderschöner Anblick. Wohin man auch schaute, überall waren kleine weisse Punkte verstreut und auch der Verlauf der Milchstrasse war klar zu erkennen. Sogar mehrer Nachbargalaxien konnte man mit blossem Auge erkennen. Obwohl das alles so nah wirkte war ich mir bewusst, dass mich im Umkreis von mehreren milliarden Kilometern nichts weiter als höchstens ein paar verlorene Atome erwarteten. Alles war still und nichts bewegte sich. Nur die blinkenden Lichter auf meinem Kontrolltisch mischten sich in das statische Bild.

Mein Blick wanderte wieder auf die vielen Anzeigen und Darstellungen auf den Bildschirmen, die sich in den verschiedensten Farben vor mir aufragten. Ohne sie wirklich zu betrachten dachte ich nach. Noch so lange. Fast neun Jahre werde ich unterwegs sein. Eine sehr lange Zeit. Den Gedanken schob ich aber schnell wieder beiseite, weil wenn ich immer daran denke, werde ich noch verrückt. Das, was mich am Ende der Reise erwartet, sollte es wert sein so lange unterwegs zu sein. Ich werde es nicht bereuen! Dafür habe ich schon zu viel aufs Spiel gesetzt. Es gibt kein Zurück.

„Konnten wir den Suchraum einschränken, Catalina?“ Catalina ist meine einzige Begleiterin auf dieser Reise in die Tiefen des Weltraums. Die neuste KI, die auf dem Markt zu holen war. Menschliche Begleiter habe ich nicht. Die wären auch zu unzuverlässig und ich hätte sowieso niemanden gefunden, der mich unterstützt hätte. Das war mir von Anfang an klar. Und weil ich Niemanden die ganze Reise über bezahlen musste, konnte ich in die neuste Technologie investieren. Mein Raumschiff gehörte zu den vortschrittlichsten die je gebaut wurden. Es konnte sogar mit einigen militärischen Raumschiffen der US Space Force mithalten. Natürlich war es nicht bewaffnet. Das Navigationsystem jedoch war revolutionär und wurde erst letzten Monat entwickelt.

„Der Raum, in dem sich das Ziel befindet, beschränkt sich auf achthunderttausend Kubikkilometer“ antwortete sie freundlich.

Ich seufzte und nahm wieder einen Schluck aus meiner Tasse. Eine Nadel im Heuhaufen, eher ein Sandkorn. Aber das sollte sich noch ändern. Die Berechnungen sind erst am Anfang. Zwanzig kleine Satelliten umkreisten mein Raumschiff wie einen Planeten im Abstand von hundert Metern. Dabei spannten sie ein virtuelles Netz das wie eine riesige Satellitenschüssel fungierte. Damit konnte man unglaublich riesige Bereiche absuchen. Perfekt um Planeten und Sonnen aufzuspüren. Mein Ziel war aber keines davon. Es war viel kleiner. So klein, dass man mehrere hundert Jahre bräuchte, um nur die ungefähre Richtung auszumachen. Zusätzlich war es unmöglich solch riesige Datensätze auf meinem Raumschiff zu bearbeiten. Darum wurden sie zur Erde geschickt, wo sie viel schneller bearbeitet werden konnte und man dann wieder mir zurückschickte. Aber wie gesagt würde das viel zu lange dauern. Es gab aber eine Lösung. Für diese Idee hielten mich viele für absolut verrückt. Vielleicht war es das auch, aber es gab keinen anderen Weg. Das grösste Problem war einfach die Distanz. Warum verkürzte man sie also nicht einfach und dabei war es nicht einmal so schwierig. Alles was es dazu braucht, war eine immens hohe Geschwindigkeit, die and die der Lichtgeschwindigkeit grenzte. Dann käme die Lorenzkontraktion zum Zug. Sie besagt, dass je höher die Geschwindigkeit eines Objektes ist, desto mehr drückt sich der Raum zusammen und umso kürzer ist dann der Weg von A nach B. Dies erleichterte mir ungemein die Messungen und beschleunigten sie. Ich war aber der Erste, der diese Methode anwendete und darum wusste auch niemand, und auch ich nicht, ob sie überhaupt funktionierte. Aber wenn es mir gelang, dann verbesserten sich meine Chancen um ein Vielfaches.

Ein Problem gab es jedoch. Je mehr ich beschleunigte, desto verzerrter kamen die Daten von der Erde zu mir zurück. Vor allem wenn ich mich der Lichtgeschwindigkeit annäherte, würde es unmöglich sein, die erhaltenen Informationen zu verarbeiten, weil sie schlicht zu verzerrt sein werden. Damit würde ich den Kontakt zur Erde verlieren. Vielleicht für immer. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken. Ich hatte sowieso nicht vor, wieder zurückzukehren.

Ich erhob mich aus dem Stuhl und trat aus dem Cockpit. Die Tasse nahm ich mit. Vor mir machte sich ein Korridor auf mit vielen Türen, die auf jeder Seite in regelmässigen Abständen zu sehen waren. Ich wusste, was hinter jeder Tür war, weil ich alle selber eingerichtet habe. Dieses Schiff war einst ein geologisches Schiff und die Crew bestand nur aus Wissenschaftler. Es waren viele Wiessenschaftliche Geräte an Bord gewesen und fast alle Räume waren Labore. Dafür hatte ich aber keine Verwendung und hatte alles ausgeräumt. Ich habe das Raumschiff in ein Erkundungsschiff ohne Wiederkehr umfunktioniert. An Bord befanden sich nun Schlafräume für mehrere Personen, einen Unterhaltungsraum, Panoramaraum, einen Raum mit Sportgeräten und einige andere, wo man sich beschäftigen konnte. Ich trat in den Aufenthaltsraum, wo Küche und Tische aufgestellt waren mit sechs Stühlen.

Ich setzte mich wahllos auf einen davon und trank meine Schokolade fertig. Ich blickte in die leere Runde. In neun Jahren wird sich das ändern. Aber wenigstens gab es bis dahin nicht viel zu putzen.

„Hey Catalina, wie läufts so?“ fragte ich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.

„Alle Parameter befinden sich im akzeptablen Bereich und die Beschleunigung beträgt 0.3 G“. Natürlich antwortete sie. Sie war auch eine Maschine und darauf programmiert, zu antworten. Aber dennoch fragte ich mich immer wieder, ob mehr dahintersteckte. Ich stand auf und trat zur Kaffeemaschine, stellte die Tasse darunter und drückte auf das „heisse Schokolade“ Icon, wo darauf die dunkelbraune Flüssigkeit in die Tasse plätscherte. Keine wirkliche Schokolade, dachte ich. Sieht nur so aus und schmeckte danach. Aber in Wirklichkeit war es bloss nährhaftes Wasser mit ein paar Geschmackstoffen. Aber das reichte.

Ich nahm die Tasse und blickte in den leeren Aufenthaltsraum. Ich hatte mehrere Pflanzen verteilt, dass es nicht alles so stumpf wirkte und das war eine gute Entscheidung. Die Umgebung wird für längere Zeit mein Zuhause sein.

„Und sonst, alles klar bei dir?“

„Wenn du diese Frage auf den Zustand des Schiffes beziehst, so sind keine Schäden auf der Aussenhülle auszumachen, Sauerstoff- und Wasserwiederaufbereitung funktionsfähig, Navigationssatelliten in Position, Treibstoff bei 92%.“

Ich schaute in die Tasse. „Nein, ich beziehe die Frage auf dich.“

Eine kurze Pause „Keine Korruption in der Programmierung gefunden.“

Eigentlich wusste ich nicht, was für eine Antwort ich hätte erwarten sollen.

Ich habe diese Reise mit fester Entschlossenheit angetreten und war es immer noch. Auf der Erde habe ich nichts mehr zu verlieren, aus dem einfachen Grund, weil ich dort nichts mehr besitze. Ich habe ein neues Leben angefangen. Mein ganzes Vermögen habe ich in dieses Raumschiff gesteckt. Die Raumfahrt ist seit ein paar Jahrzehnten nichts Besonderes mehr. Schon zahlreiche Weltraumstationen befinden sich im Orbit der Erde. Man arbeitete und wohnte dort ganz normal wie auf der Erde. Das Leben auf solch einer Station stand dem auf der Erde im Nichts nach. Mittlerweile war man sogar dabei, den Mond zu besiedeln und danach würde der Mars an der Reihe sein. Im Weltraum war es um einiges einfacher, Raumschiffe zu bauen und zu starten. Am Anfang der Raumfahrt mussten sämtliche Geräte mit extrem hohen Leistungsaufand von der Oberfläche in den Orbit befördert werden. Aber nun förderte man Rohstoffe direkt von nahen Asteoriten und vom Mond, wo auch die Raumschiffe gebaut wurden. Das erleichterte den Bau und die Lieferung in den Weltraum sehr, weil sie ja schon im Weltraum waren. Der Weltraum wurde zum Arbeitsplatz wie ein Bürotisch. Bisher waren unbemannte Drohnen stets im Einsatz gewesen. Aber weil man nun viel grössere Schiffe bauen konnte lag es in der Hand, Wissenschaftler vor Ort zu schicken. Die komplett benötigte Ausrüstung hatte ohne Probleme auf dem Schiff Platz und eine viel genauere und effiziente Forschung war nun möglich. Es startet eine Vielzahl von Erkundungsreisen zu den verschiedensten Asteoriten, zum Mars und zur Venus. Schon bald aber wollte man weiter, zum Merkur und zum Asteoridengürtel, der zum wichtigsten Rohstofflieferanten der Erde wurde. Und schon bald war die Sonne and der Reihe, ein gigantischer Ball pure Energie. Man hoffte, sie irgendwie nutzen zu können. Immerhin ist die Energie der wichtigster Bestandteil der Raumfahrt.

Eine Expedition wurde eingeleitet, bei der sich ein Raumschiff rund siebenhunderttausend Kilometer and die Sonne annähern sollte. Weil es extrem hohen Temparaturen standhalten musste, entschied man sich, dass das Raumschiff mit sehr hoher Geschwindigkeit an der Sonne vorbeisausen liess. Dabei würde es in eine weite Umlaufbahn der Sonne einschwenken. Danach liesse man es abbremsen, wobei die Umlaufbahn immer flacher wurde und die Periapsis, der Punkt bei dem ein Objekt in einer Umlaufbahn die geringste Distanz zum Zentralkörper aufweist, auf siebenhunderttausend Kilometer schrumpfte. And diesem Punkt ist die Geschwindigkeit auch am höchsten. Bis zu diesem Zeitpunkt würde man sich einfach in die Sonne „hineinfallen“ lassen. Um die Geschwindigkeit noch mehr zu erhöhen, beschleunigte das Raumschiff selbst noch zusätzlich. „Projekt Sunset“ war geboren. Ich war der führende Leiter dieses Projektes, das mehrere Milliarden schwer war. Nach einem halben Jahr startete das erste Raumschiff mit dem Namen „Sunset UNO“.

Die Mission war ein voller Erfolg. Die Wissenschaftler an Bord sammelten ungemein viele Daten und führten diverse Versuche durch. Sofort leitete man eine weitere Mission ein. Diesmal sollte aber die Periapsis nur dreihunderttausend Kilometer gross sein, für astronomische Verhältnisse eine Minimaldistanz und auch die Geschwindigkeit würde um ein Vielfaches grösser sein.

Ich leitete abermals diese Mission und war dafür verantwortlich, die fähigsten für die Crew auszusuchen. Mit Personen aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt führte ich Gespräche, aber ich musste mich für fünf Personen entscheiden.

An einem Tag, an dem ich eine Reihe von Bewerbungsgespräche hielt, kam mir eine ganz besondere Frau unter. Ihr Name war Lucy. Sie war in meinem Alter und arbeitete schon bei diversen anderen Missionen als Triebwekingenierin, war aber noch nie selbst an Bord eines Raumschiffes im Rahmen einer Mission. Sie kam aus einem kleinen Dorf irgendwo in den Bergen. Als sie das Studium im Bereich Raumfahrt abschloss, wurde sie zum Stolz des ganzen Dorfes. Die Sonne zu erkunden gehörte zu ihren grössten Wünschen. Sie war von den Fähigkeiten eigentlich ganz durchschnittlich. Als ich von den Unterlagen aufsah und ihr hoffnungsvolles Lächlen erblickte, brachte ich es nicht übers Herz sie abzulehnen. Sie wurde in die Crew als technische Ingenieurin eingestellt.

Und schon bald darauf startete die „Sunset DUE“. Wie beim ersten Mal, nahm sie eine weite Umlaufbahn ein und bremste dann ab, wobei das Raumschiff in die Sonne stürzte. Mit der Usterstützung der Triebwerke beschleunigte es immer mehr. Die Geschwindigkeit erreichten astronomische Zahlen. Das Raumschiff näherte sich der Periapsis und die Messungen und Versuche liefen auf Hochtouren. Im ständigen Kontakt mit der Crew blickte ich immer wieder das von Freude erfüllte Gesicht von Lucy und ein merkwürdiges Gefühl machte sich in mir breit. Das Schiff erreichte nun die höchste Geschwindigkeit, ein Rekordtempo. „Sunset DUE“ passierte die Periapsis und nun wurde der Abbremsvorgang eingeleitet, sodass das Raumschiff nicht ungelenkt in den Weltraum schoss. Ein Umkehrmanöver wurde ausgeführt, damit die Triebwerke in entgegengesetzter Richtung zeigten. Aber gerade als die Triebwerke zünden sollten, erschütterte irgendetwas das Schiff und es geriet ins taumeln. Wie sich später herausstellte, hat ein Meteorit mit dem Durchmesser von rund sechs Meter die Triebwerke zerfetzt. Ein riesiges Pech. Im Weltraum stehen die Chancen, von irgendetwas getroffen zu werden, praktisch gleich null. Dass genau an diesem Punkt zwei winzige Objekte genau an diesem Zeitpunkt kollidierten, mit dieser unglaublich hohen Geschwindigkeit, war einfach ein grausamer schlechter Witz. Einen vierfacher sechster im Lotto hätte man lieber gehabt und auch die Chancen wären besser gestanden. In der Operationszentrale war es totenstill. Niemand bewegte sich und alle schaute wie gebannt auf die Bildschirme, wo sich das Geschehen abspielte. Ich war wie gelähmt, nicht wissend, was zu tun wäre. Bewegungsunfähig entfernte sich das Raumschiff mit rasanter Geschwindigkeit von der Sonne, taumelnd und ohne Kontrolle. Mit diesem Tempo würde es aus dem Sonnensytem fliegen und nichts stand im Weg, um es aufzuhalten.

Der Kontakt zur Crew brach ab weil dass Schiff hinter die Sonne kam. Das letzte was ich sah, war der verzweifelte Blick auf Lucy’s Gesicht. Ihr grösster Traum hatte sich auf einen Schlag in einen Alptraum verwandelt. Wie ein Boot sank man, tiefer und immer tiefer. Kein Grund, der einen erwartet. Genau so fühlte es sich an, im Weltraum unterzugehen. Mehrere Kilometer pro Sekunde zurücklegend im Wissen, dass es ewig so weiter gehen wird, bis man Lichtjahre entfernt ist und auf keine Rettung zu hoffen ist. Alles was einem bleibt ist das endlose Nichts, keine Gravitation, die einen anzieht. Bis zum Ende des Universums entfernt man sich von der Erde.

Das wurde der Crew auch bewusst und unternahmen alles, um genau dieses Szenario zu verhindern. Im Wettlauf gegen die Zeit bauten sie mit den verfügbaren Geräten an Bord ein improvisiertes Triebwerk zusammen. Dabei spielte Lucy eine zentrale Rolle, da sie schon in ihrer Vergangenheit viel damit zu tun hatte. Das neue Triebwerk war zwar lange nicht so leistungsfähig wie das, das zerfetzt worden ist, aber es war besser als nichts. Wenn man sich im schnellsten Objekt befindet, das jemals von Menschen erschaffen worden ist, und das ohne Kontrolle davonfliegt, tat man alles, um die Lage zu verbessern. Sie schafften es, das Raumschiff beträchtlich abzubremsen, aber alle Treibstoffreserven wurden dabei verbraucht. Das war das letzte, was sie hätten tun können ausser auf Rettung zu hoffen. Schon bald verloren wir die Verbindung vollständig, weil die Distanz einfach zu gross wurde. Das letzte Gespräch war von Trauer geprägt. Die Ausweglosigkeit war allen bekannt und niemand konnte etwas dafür. Niemand konnte voraussehen, dass so etwas passieren würde. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Mir ging das Gesicht von Lucy nicht aus dem Kopf. Sie war stets voller Hoffnung und wollte nur eine Mission fliegen. Sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich und ich habe ihr alles genommen! Ich hätte sie niemals aufnehmen sollen, es gab mindestens ein Dutzend andere, die den Job auch übernehmen hätten können.

Das war der Zeitpunkt, bei dem ich beschloss die Crew und Lucy einen kleinen Funken Hoffnung zu geben. Obwohl sie sich immernoch mit hohem Tempo von der Erde entfernten, werde ich Ihnen nachfliegen und sie einholen. Ich werde vielleicht nicht in der Lage sein, sie wieder nach Hause zurückzubringen, aber ich werde ihnen die Möglichkeit geben, sich wieder zu bewegen und nicht vollkommen verloren zu sein.

Da jedoch der Kontakt abgebrochen war, konnten wir die genaue Position der „Sunset DUE“ nicht zurückverfolgen. Mit zunehmender Dinstanz wurde es schwieriger, sie wieder zu finden. Es war keine Zeit zu verlieren. Leider fand ich keine grosse Hilfe für die Rettung, weil das Risiko für keine Wiederkehr einfach zu gross war. Die Medien bezeichneten es als tragisches Ereignis, bei dem man nicht viel tun kann. Aber ich war anderer Meinung. Ich nahm die Sache selbst in die Hand, verkaufte meinen ganzen Besitz, mein Auto, mein Haus. Aber allein dies hätte nicht gereicht. Zum Glück fand ich grosse finanzielle Unterstützung durch das Volk. Es wollte zwar niemand mitkommen und vor allem die Regierung hielt mein Vorhaben für absoluten Schwachsinn, aber als ich einen Spendeaufruf startete, fand ich bei vielen ein offenes Ohr. Auf der ganzen Welt wusste man, was ich vor habe. Ein ganzes Vermögen wurde mir gespendet, sodass ich schon fast ein schlechtes Gewissen bekam. Umso mehr werde ich die Sache durchziehen. Mit meinem neuen Budget verbesserten sich meine Chancen auf Erfolg entscheidend.

Ich kaufte ein Raumschiff, das gross genug war, um sechs Personen über einen längeren Zeitraum zu beherbergen und liess es auf meine Bedürfnisse umrüsten. Ein leistungsstarkes Triebwerk und ein fortschrittliches Navigationssystem. Am Ende blieb nichts mehr vom Geld übrig. Nach vier Monaten nach dem Unglück konnte meine Reise beginnen. Und hier bin ich jetzt.

Ich werde viel länger brauchen, um die Geschwindigkeit zu erreichen, die die „Sunset DUE“ damals hatte. Ohne die Hilfe der Anziehungskraft der Sonne war das alles viel Zeitaufwendiger. Das beste wäre es gewesen, genau den gleichen Manöver auszuüben, aber mein Schiff war für dafür nicht imstande. Mir war dieser Zeitaufwand relativ egal. Alles was ich wollte, war es, Lucy wieder glücklich zu sehen und ihr wieder etwas zum Lächeln geben.

Meine Tasse habe ich mittlerweile leergetrunken. Ich drehte mich wieder zur Kaffeemaschine um und drückte abermals die Taste. Als die heisse Schokolade zubereitet wurde, sah ich mir die Abbildung auf der Tasse an. Ein Raumschiff, dass zu den Sternen fliegt. Das Bild erschien mir nicht neu, denn die Tasse begleitete mich schon seit ich für das „Sunset“-Projekt tätig bin. Mir fiel immer wieder auf, dass auf dem Bild nirgends die Erde zu sehen ist. Das verwunderte mich, denn normalerweise kehrten Raumschiffe immer wieder heim. Ich fand das aber noch irgendwie schön. Einfach ins Weltall zu fliegen und neue Planeten erkunden, auf denen noch nie jemand war. Ich nahm die Tasse und trank einen Schluck. Vielleicht sollte ich nicht zu viel von dem Zeug trinken, sonst vergeht mir noch die Lust dazu. Ich dachte darüber nach, dass ich vielleicht nie mehr echte Milch trinken werde.

„Wie schnell sind wir bereits, Catalina?“

„Die relative Geschwindigkeit zur Erde beträgt 0.4% der Lichtgeschwindigkeit oder tausenzweihundert Kilometer pro Sekunde.“

Schon ziemlich schnell, dachte ich, dabei befindet sich das Raumschiff erst in der Beschleunigungsphase. Irgendwann werde ich den Kontakt zur Erde verlieren und damit auch die wertvollen Informationen, die ich von dort erhalte. Bis dahin musste ich den Suchraum möglichst einschränken, was mit zunehmender Geschwindigkeit schwieriger wurde. Immer diese Zeit, sie rennt einen ohne Rücksicht stets davon. Aber dieses Rennen werde ich diesmal gewinnen.

Ich trat aus dem Aufenthaltsraum und machte mich auf dem Weg zurück ins Cockpit mit der Tasse in der Hand. Einen Flug ohne Rückkehr, genau wie auf dem Bild auf der Tasse. Ich werde die „Sunset DUE“ finden und damit auch Lucy. Sobald ich sie alle auf meinem Schiff habe, machen wir uns auf die Suche nach einem neuen Zuhause, einen neuen Planeten. Vielleicht wird unser Leben schöner sein als zuvor, wer weiss. Bis dahin wird Catalina meine einzige Begleiterin sein.

„Spiel das Lied „Ticket to the Moon“ ab“. Kurz darauf erklang die vertraute Melodie im ganzen Schiff. Ich werde erfolgreich sein.