Totes Leben
Wir haben unser Camp unmitelbar vor dem Wald aufgeschlagen. Die Sonne scheint warm durch den wolkenlosen Himmel hinab. Es ist wahrlich ein schöner Sommertag. Weit weg am Horizont ist die Gebirgskette zu erkennen, von der wir kommen. Vogelgezwitscher und eine leichte Brise begrüsst uns an diesem Morgen. Dieses fleckchen Erde blieb noch immer unberührt. Kniehohes Grass so weit das Auge reicht und Bäume in ihrer vollen Pracht. Es ist das Paradies auf Erden.
Doch da ist dieser Wald. Wenn man das schöne Panorama auf dieser Seite betrachtet, spührt man etwas im Rücken, das dich jederzeit angreift. Wenn man sich umdreht erspäht man den Wald. Dieser Wald hat bis heute keinen richtigen Namen und er wird von allem gemieden. Wenn ich diesen Wald betrachte, durchströmt mich ein Gefühl der Angst. Er ist schwarz und wird stets von einem Nebel umhüllt. Es scheint so, als würde er alles gute um ihm herum aussaugen. Sogar das Licht verschwindet in ihm. Wie eine schwarze Lampe, die statt Licht Dunkelheit verbreitet. Wie ein Geschwür, das sich unaufhörlich ausbreitet. Es hat schon vieles geschluckt und nicht mehr ausgespuckt. Ganze Städte wurden förmlich über Nacht aufgegesen. Das Schicksal derjenigen, die nicht entkommen konnten ist ungewiss, denn niemand kam lebendig aus diesem Wald spaziert.
Vor nicht alzulanger Zeit haben die stärksten Länder auf unserem Kontinent ihre Ressourcen vereint, um enfdlich herauszufinden, was sich in diesem verdamten Wald überhaupt abspielt. Man fing mit normalen Wissenschaftler an doch die kehrten niemals heim. Dann schikte man speziell trainierte Soldaten hinein doch die Ergebnisse sind ernüchternd. Ganze Einheiten verschwanden samt ihrer Ausrüstung spurlos. Zu einer solchen Einheit zähle auch ich und wir sind gerade dabei, in diesen Wald zu gehen. Unsere Mission lautet, dass wir vermisste Soldaten, die noch ein allerletzten Funkspruch mit ihrer Position senden konnten, finden und wieder raus bringen.
Wir brachen unser Lager ab und machten uns auf den Weg durch das kniehohe Grass. Es waren etwa zwei Kilometer bis zum Wald. Auf dem Weg wurde es deutlich kälter und das Vogelgezwitscher verstummte. Die Menge der toten Bäume häufften sich und hier und da lagen Kadaver von toten Tieren, auf denen sich merkwürdige Balsen bildeten. Nach einer halben Stunde erreichten wir den Waldrand. Kein Gras wuchs mehr und wir waren in dicken Nebel gehüllt. Schwarze Bäume ragten hoch über uns hinweg und verschwanden im Nebel. Es erweckte den Eindruck, als wäre der gesamte Wald am leben und würde jederzeit den Mund über uns schliessen und uns verschlingen. Doch nichts geschah. Es war still. Nichts war zu hören ausser das knacksen toter Äste, wenn einer von uns mit seinen Stiefeln draufstand. Ich meinte, sogar meinen eigenen Herzschlag zu hören. Es bildeten sich kleine Wassertröpfchen auf meinem Gesicht, denn der Nebel wurde nun noch dichter. Wir traten in den schwarzen Vorhang aus Bäumen. Auf einen Schlag war es eiskalt. Meinen Atem gefror in der Luft und meine Beine fühlten sich seltsam schwer an. Unser Zugsführer gab uns das Zeichen, dass wir auf der Hut sein sollten. Wir zogen unsere Sturmgewehre und deckten unsere Seite ab. Ich war an hinterster Stelle und sorgte dafür, dass uns niemand in den Rücken fällt. Durch mein Visier checkte ich jede dunkle Stelle ab. Und so liefen wir stundenlang durch diesen toten Wald. Merkwürdigeweise verschwand der Nebel und die Sicht wurde klar. Doch das änderte nicht viel, denn es war stockdunkel und es war nichts als Umrisse zu erkennen. An einigen Stellen, die einer Lichtung ähnelten, wurde es doch ein ganz wenig heller und vereinzelt drangen doch noch Lichtsrahlen durch die Blätterdecke, die jedoch gleich wieder von der Dunkelheit verschlungen wurde. Die Stille biss uns irgendwann förmlich und es war nicht mehr auszuhalten. Nur einige „Siehst du was?“ oder „Was zum Teufel ist das?“ brach das Schweigen. Sonst begleitete uns stets das Rascheln der Blätter und das matschige Geräusch, wenn man in eine Lache trat.
Nach stundenlangem Marschieren traffen wir auf grosse ovale Felsen, die 10 Meter aus dem Boden ragten. Sie waren feucht und ein merkwürdig regelmässiges Muster war auf dem Felsen zu erkennen. Ich wand den Blick von Ihnen ab und beobachtete weiter die Umgebung. Plötzlich bebte der Boden. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten und musste mich an einem Baum abstützen. Auch die anderen hielten sich nur schwer auf den Beinen. Die Äste wackelten und warfen ihre Blätter ab. Wir warteten bis es endlich aufhörte, doch es ging weiter. Und dann sah ich etwas bewegen. Es waren die angeblich festen Felsen, die ich noch kurz zuvor als merkwürdig gehalten habe. Es waren nähmlich keine Felsen, sondern riesige Monster, die sich nur eingerollt haben, wie gigantische Schlange, die sich schlafen gelegt haben. Und wir haben sie aus dem Schlaf geweckt. Beim Entrollen lösten sich Mos und Erde von den Geschöpfen und sie wirbelten Staub auf und schleuderten Schlamm in alle Richtungen. Ich brachte mich endlich in eine einigermassen stabile Lage und entsicherte mein Gewehr. Andere taten dasselbe und zielten auf das riesige Monster, das sich etwa dreissig Meter vor uns träge umherwältzte. Ich erkannte dicke Schuppen auf der Haut und dann konnte ich auch den Kopf sehen. Es war eigentlich gar kein Kopf, sondern nur ein stumpfes Ende, an dem sich ein hässliches rundes Maul befand, in dem mehrere Reihen gefärlich spitze Zähne zu sehen war. Wir waren alle bereit, das Feuer zu eröffnen, doch niemand drückte den Abzug. Der Lärm war ohrenbetäubend und der Boden bebte immer noch. Ich hielt den Atem an. Bei einer seinen Umwältzungen rammte das Geschöpf plötzlich ihren hässlichen Kopf in den Boden und wir wurden von den Beinen gerissen, als der Boden abermals heftig durchgeschüttelt wurde. Mein Gesicht schlug auf den nassen Waldboden auf. Als ich mich schnellstmöglich wieder aufrappelte, war das Monster gerade dabei, im Erdboden zu verschwinden. Als letztes tauchte der Schwanz ab, der gleich wie der Anfang aussah. Der Boden beruhigte sich allmählich wieder, doch das Geräusch des grabenden Monster war noch einige Sekunden zu hören bis es verklang. Und dann kehrte wieder die alt vertraute Stille ein. Jeder von uns war genauso versteinert, wie dieses Monster vorhin. Der Zugsführer brach zuerst das die Stille. „Wann sind wir denn endlich bei diesem verdammten Signal?“ Jetzt lösten sich auch andere und blickten einander an, als ob sie sich erkären könnten, was sie gerade gesehen haben.
Es stellte sich heraus, dass es wenigstens nicht mehr weit war. Noch von diesem Ereignis noch betäubt, setzten wir unseren Weg fort. Es ging leicht einen Hügel hinauf und wir kamen nur müssig voran. Langsam gefror mir die Füsse ein, denn ich spürte sie kaum noch. Nach einer kleinen Kletterpartie war ich vollkommen erschöpft und wir legten eine kleine Pause ein. Doch ich erholte mich nicht wirklich. Vor allem weil wir unsere Rast mitten in einem verfallenen Dorf machten. Es war so dunkel, dass man nicht erkennen konnte, was sich in den offenen Türen und Fenster abspielte. Aus jeder Ecke hätte irgendein hässliches Wesen auf uns losgehen können. Und andererseits war immer noch diese Stille. Es ist einfach nicht auszuhalten. Nichts ist zu hören. Keine Tiergeräusche, kein Plätschern von Wasser, sogar die Blätter auf den Bäumen scheinen nicht zu rascheln. Mal abgesehen davon, dass die Baumkronen im Nebel verschwinden und gar nicht zu erkennen sind. Was erwartet uns denn noch in diesem Wald? Nach unserem Halt ging es einen Abhang entlang. Ich dachte, wir müssten schon wieder stundenlang umher marschieren, doch in diesem Augenblick entdeckte ich etwas nicht weit von unserer Position. Vor uns mitten auf dem Weg war ein anderes Lager aufgeschlagen. Auch andere von meiner Einheit waren darauf aufmerksam geworden und wir näherten uns mit Vorsicht. Zwei Zelte und in der Mitte eine gelöschte Feuerstelle. Die Kohle war kalt und nass, die Zelte durchlöchert und voll mit altem Laub. Wir entdeckten sogar noch ein drittes weiter entfernt, das total zerfetzt wurde und daneben einen Helm. Auf der Innenseite war der Name des dazugehörigen Soldaten zu lesen, es war einer, den wir suchten. Ich bezweifelte stark, dass der noch lebte. Wir suchten noch kurze Zeit in der Umgebung, doch es war nichts Weiteres zu finden. Wenn die noch leben, wo sind die dann hingegangen und warum hätten sie ihre ganze Ausrüstung liegen gelassen? Das machte für mich keinen Sinn und für die anderen höchstwahrscheinlich genau so wenig. Ich glaubte, wir können diese Übung abbrechen. Ich machte mich auf dem Weg zurück zur verloschen Feuerstelle, wo sich auch die anderen aufhielten. Dann kam ein Geräusch auf. Es klingt wie ein entferntes Rauschen, wie ein sanfter Winder, der durch die Bäume zieht. Ein normales Geräusch, wohl wahr, doch nicht in diesem Wald. Hier klingt es fremd und bedrohlich. Verdammt bedrohlich. Ich blieb stehen und lauschte, drehte mich um und wollte das Geräusch lokalisieren, doch es schien von überall herzukommen. Die anderen schienen es nicht zu bemerken und liefen normal weiter. Spielt mein Verstand nun verrückt? Ich beschleunigte meinen Schritt. Der Klang blieb immer noch leicht im Hintergrund, als wäre es gar nicht hier. Ich ging schneller. Beim Lagerfeuer angekommen wartete ich auf weitere Anweisungen und hoffte inständig, dass der Zugsführer einfach die Mission als fehlgeschlagen beendete und wir hier endlich verschwinden können. Als wir uns alle versammelt hatten, trat unser Führer hervor und fing an zu sprechen. Doch ich konnte seinen Worten nicht folgen. Das Rauschen im Hintergrund war immer noch anwesend und schnitt seine Worte ab, ehe sie mich erreichen konnten. Was ist nur los? Plötzlich schwellte das Rauschen an. Es kam irgendwie näher. Jetzt drehten auch andere ihre Köpfe verwundert in alle Richtungen, doch es schien noch immer nicht jeder zu hören. Unser Führer sprach immer noch weiter, aber ich konnte ihn nun gar nicht mehr hören. Ich hielt meine Ohren zu, doch es half nichts. Das Geräusch kam näher und näher. Irgendwann meinte ich, einzelne Schreie zu hören. Verzweifelte Laute voller Schrecken und Angst. Wie die Stimmen von tausend Leuten, die gerade immer und immer wieder ihren letzten schmerzvollen Augenblick ihres Leben durchspielen. Endlich hörte auch der Leiter auf zu sprechen und sah sich um. Jeder tat das. Das ist definitiv nicht normal. Ich erkannte nun deutlich einzelne Schreie aus dem Geräusch, die nur kurz aufschwellten und dann kurz darauf gleich wieder im Rauschen verschwand. Wir gingen abermals in Angriffsbereitschaft über. Ich zog man Sturmgewehr und entsicherte es. Meine Augen gingen jeden dunklen Ecken durch, doch ich erkannte nichts. Es war einfach zu dunkel und diese Schreie setzten sich in meinem Kopf fest. Ich hörte sie unmittelbar vor mir. Jemand schreit mir voll ins Gesicht, aber ich sehe ihn nicht. Schweiss bildete sich auf meiner Stirn, obwohl es arschkalt war. Ich klammerte mich an mein Gewehr. Ein unvermittelter Knall drang durch das Rauschen. Etwas surrte schnell und Einer von unseren Reihen wurde von den Beinen gerissen und drei Meter in die Luft katapultiert, ehe er im Dunklen verschwand. „Deckung!“ schrie jemand und alle rannten umher. Ich lief zu einem toten Baustamm und schmiss mich dahinter. Danach hielt ich den Lauf meines Gewehrs in die Richtung, von der ich meint den Schuss gehört zu haben. Aber durch das Visier war nichts zu erkennen. Die anderen suchten ebenso verzweifelt nach dem vermeintlichen Schützen. Ich dachte für eine kurzen Augenblick, einer von uns hätte den Schuss abgefeuert, doch dann hätte es keinen von uns erwischt. Das Geräusch verwandelte sich in einzelne Schreie und die kamen von allen Seiten, wir waren davon umzingelt. Es knallte abermals, ein surren und wieder wurde einer von uns getroffen. Er wurde von einem hellen blauen Strahl begleitet und verfehlte meinen Kopf nur um wenige Zentimeter. Der Getroffene wurde in die Luft geschleudert, doch sein Flug beendete ein Baumstamm, in den er knallte. Als er auf den Boden aufschlug, blieb er regungslos liegen. Doch ich achtete nicht wirklich darauf. Als der Schütze seinen Schuss abfeuerte, wurde seine Umgebung kurzzeitig erhelt und ich konnte ihn erkennen. Ich riss mein Sturmgewehr rüber, zielte und drückte den Abzug. Ich war der erste von uns, der feuerte. Ich feuerte Kugel nach Kugel ab, ohne meinen Gegner wirklich zu erkennen. Doch während ich feuerte ging mir der Umriss des Schützen nicht aus den Augen. Es war kein Mensch, auf den ich schoss. Schon seine Körpergrösse war mindestens über zwei Meter. Und seinen spitzer Kopf verlängerte die Grösse nochmal um einen halben Meter. Seine Arme und Beine waren ebenso überlang. War dieses Ding die Ursache für die immer noch anhaltenden Schreie? Von weitem konnte ich auch keine Waffe erkennen, doch es war zweifelsohne dieses Wesen. Nach ein paar Schüssen legte ich eine Pause ein um zu sehen, ob ich überhaupt etwas bewirkte. Dann sah ich, dass sein Arm plötzlich anzuschwellen begang und länger wurde. Er richtete damit wie einen langer Zeigfinger auf mich, als ob er damit sagen wollte, dass ich der nächste bin. Ich schmiss mich sofort wieder hinter den Baumstamm und gleichzeitig knallte es. Der blaue Strahl „surrte“ über mich hinweg, quer über das verlassene Lager, an mehreren Soldaten vorbei und schlug dann in einen Baum ein. Der Stamm splitterte und einen grossen Stück Holz wurde aus dem Baum gerissen. Die Splitter flogen bis zu mir und klopften auf meinen Helm. Laub wirbelte durch die Luft. Ich hatte keine Ahnung, was das für eine Waffe sein sollte, doch es war definitiv nicht von dieser Welt.
„Rückzug!“ War zu hören und alle wendeten sich ab und rannten in die entgegengesetzte Richtung. Dieses eine Wesen hatte innerhalb nicht mal einer Minute zwei von uns getötet und beinahe hat es auch mich erwischt. Ich ging von meiner Deckung hervor und rannte los. Bei einem kurzen Blick zurück, konnte ich das Monster schon wieder nicht erkennen oder es war verschwunden. Ich rannte zu den anderen und wir bildeten eine Formation. Zusammen liefen wir so schnell wie möglich den Weg zurück, den wir kamen, doch diese Schreie hörten einfach nicht auf. Sie waren immer noch überall aber doch nirgends. Wir rannten immer noch. Wir kamen an dem zerstörten Dorf vorbei und verliessen es dann gleich wieder. Ich blickte immer wieder zurück, um sicherzugehen, dass diese Tier uns nicht verfolgte. Erleichternd stellte ich fest, dass die Schreie langsam verstummten. Auch die anderen waren sichtlich beruhigt. Wir reduzierten unser Schritttempo ein wenig. Das nächste Ziel wäre dann, diesen verfluchten Wald zu verlassen. Obwohl eigentlich keine Gefahr mehr bestand, liess mich der misstrauische Gedanke nicht los, dass es noch nicht vorbei war. Solch ein Lärm an einem Ort, an dem es totenstill ist, kann doch nicht unbemerkt gewesen sein. Ich blickte an den Baumstämmen hoch an die Stelle, an der sich eigentlich der Himmel hätte befinden sollen. Anstelle blickte ich nur auf eine dunkelgraue Nebeldecke, in die sich lange dünne schwarze Stämme wie Finger erstreckten. Ich dachte an die Soldaten, die spurlos verschwunden waren und auch an dieses seltsame Monster, das uns angegriffen hatte. Sind die Männer etwa auf die gleiche Weise umgekommen wie die aus meiner Einheit? Was lebt denn noch alles in diesem Wald?
Wir kamen zu der Stelle, an der die riesigen Würmer uns das erste Mal demonstriert haben, was hier so haust. Es kann nicht mehr weit bis zum Ende sein. Ich bekam schon das Mistrauen los, doch das sollte sich als Fehler herausstellen. Im Augenwinkel meinte ich etwas gesehen zu haben. Ich drehte meinen Kopf, blickte jedoch nur in schwarze Leere. Ich folgte weiter meinen Kameraden, als wieder etwas auftauchte, dieses Mal jedoch von einem Geräusch begleitet. Wie wenn ein Tier schnell vor einem Fressfeind durch Gebüsch und Sträucher flieht. Jedoch kam dieses Geräusch direkt auf uns zu. Und noch eins. Überall raschelten Blätter und Sträucher. Ich machte mich bereit. Wir gingen in Formation und beschleunigten unser Tempo. Meine Waffe fühlte sich kalt an und sie lag schwer in meiner Hand. „Achtung!“ Schüsse fielen und jemand schrie. Es knallte noch ein paar mal und noch ein Schrei ertönte. Und noch einer. Ich drehte mich um und erkannte, dass keiner von uns getroffen wurde und dass einige von uns auf irgendetwas schossen. Die Schreie mehrten sich, bis sie nicht mehr zu unterscheiden waren. Plötzlich war etwas in meinem Blickfeld. Jemand rannte auf mich zu im vollen Sprint. Ich zielte direkt auf ihn. Er rannte wie ein Verrückter, unermüdlich. Das spezielle daran war, dass es ein Mensch war. Ich konnte seine Kleidung klar erkennen. Und dann riss er sein Mund auf. Im ersten Augenblick dachte ich, dass sein Kiefer abfallen würde. Man hätte damit locker ein ganzes Stück Torte auf einmal verdrücken können. Doch aus diesem Mund ertönte ein weiterer Schrei. Ein Schrei direkt aus der Hölle. Es durchdrang mich wie Schwerter und meine Seele erschütterte. Ich drückte den Abzug. Leere Hülsen spickten aus dem Gewehr und der Schrei verstarb. Die Person brach im Sprint zusammen, überschlug sich wenige Male im Laub und kam direkt vor meinen Füssen zum Stillstand. Aber es waren immer noch unendlich weitere Schreie zu hören, sie kommen von überall her. Jeder von uns schoss mit seinem Gewehr auf schreiende Leute, die einfach mit weit aufgerissenen Mund auf uns zurannten. Noch einer kam auf mich los als wäre es das letzte in seinem Leben, was er tun würde. Und das war es auch. Der Schrei verstummte. Als ich von der Leiche aufsah und weiter in die Ferne blickte, sah etwas Grausames. Eine riesige Horde näherte uns. Es waren hunderte, wenn nicht tausende die mit demselben unnatürlich aufgerissenen Mund auf uns losgingen. Es dröhnte und der Boden vibrierte. „Lauft!“ einige hörten auf zu schiessen und blickte auf die unfassbare Masse, die sich wie eine Sturzwelle uns näherte. Jetzt rannten auch wir. Einer wollte mich gerade von der Seite packen, doch ich verhinderte das und durchlöcherte ihn. Dieser kam mir sogar so nahe, dass ich sein Gesicht erkennen konnte. Ich zweifelte daran, dass in diesen Personen noch irgendetwas menschliches übrig war. Ihre Augen glühten in einem tiefen Rot und ihre Haut war schwarz und zerfallen. Es war ein Wunder, dass diese Menschen nicht komplett zerfielen. Aber ich machte mir keine weiteren Gedanken, sondern rannte nur. Zwischendurch lud ich ein neues Magazin in mein Gewehr oder ich schoss auf gefährlich nahekommende „Leute“. Irgendwie klappten sie einfach zusammen, wenn man auf sie feuerte. Wahrscheinlich weil sie sowieso schon tot waren. aber für jeden Ausgeschalteten kamen fünf Neue dazu. Der Waldrand konnte nicht mehr weit sein. Auf einen Schlag kam so ein Ding aus einer dunklen Ecke hervorgesprungen und packte den Soldaten direkt vor mir. Er wurde auf den Boden gerissen mit dem Monster auf seinem Bauch. Im ersten Moment dachte ich, es wäre aus mit ihm, doch der Mann konnte noch sein Gewehr zwischen sich bringen und versuchte verzweifelt das Ding von ihm abzuschütteln. Aber es schrie im selben grausamen Ton wie alle anderen und streckte seine verkrüppelten Hände nach seinem Gesicht, konnte es aber nicht erreichen. Ich drehte mich um und ging unmittelbar vor die beiden Kämpfenden. Ich richtete mein Gewehr auf das Wesen. Es hatte ein kariertes Hemd an, doch seine Hose war zerfetzt und fast nicht mehr vorhanden. Vielleicht war es einmal ein Familienvater. Ich gab eine Salve in seinen Kopf ab. Der halbe Schädel wurde aufgerissen, doch kein Blut spritzte. Eine Staubwolke war alles, was aus diesem Ding hervorkam. Der Soldat am Boden stiess hastig den Körper von sich weg und wollte sich aufrappeln. Das vibrieren von der Horde wurde heftiger und auch die Geräusche schwollen an. Ich konnte meine anderen Kameraden fast nicht mehr sehen. Schnell zog ich ihn auf die Beine und wir folgten den Anderen. Irgendwann müssen wir doch mal hier rauskommen. Ich rannte so schnell wie meine Beine konnten, über Stock und Stein. Mehrmals stolperte ich fast. Irgendwann kam es mir so vor, als befänden sich die Aberhunderten direkt hinter mir und würden mich im nächsten Moment am Kragen packen. Ich hörte nicht mehr auf die immer lauter werdende Horde hinter mir. Etwa fünfzig Meter vor mir sah ich dann das Ende. Der dicke weisse Nebel war immer noch da. Anders als bei der Ankunft war das nun ein willkommener Anblick. Ich hatte nur noch den Ausweg vor Augen. Sträucher und tote Äste schlugen mir ins Gesicht, doch das war mir egal. Und plötzlich war ich draussen. Keine Bäume versperrten mir das Blickfeld, stattdessen der Nebel. Ein leichte Brise wehte mir ins Gesicht. Meine Kameraden verschwanden im Nebel vor mir. Ich rannte Ihnen hinterher, doch dann fiel mir etwas auf. Es war rein gar nichts mehr zu hören. Das Dröhnen und all die Schreie waren weg. Als hätten sie nie existiert. Ich blieb stehen und lauschte. Ich drehte mich um und blickte auf den schwarzen Waldrand etwa zehn Meter vor mir. Was ich sah, erschreckte mich. Ich ging ein paar Schritte darauf zu, um es besser erkennen zu können. Ich sah hunderte im gleichen Tempo wie vorhin auf uns zuspringen, aber gerade in dem Moment, als sie aus dem Wald traten, lösten sie sich auf. Wie verbrennendes Papier zerfielen sie in kleinste Teilchen und wurden vom Winde verweht. Die Gesichter waren für kurze Zeit zu erkennen, ehe sie in Staub zerfielen. Danach kam ein anderer nach und das selbe passierte. Und noch einer. Es hörte nicht mehr auf. Die Fetzten schwebten lautlos an mir vorbei. Ich konnte den Blick nicht abwenden. Pro Sekunde lösten sich hier mehrere Duzend Leute auf. Obwohl sie nicht mehr viel mit Menschen gemeinsam hatten, waren sie zweifelsohne einmal welche. Es hörte nicht mehr auf. Die Luft war nun voll mit kleinen glühenden Fetzten, die von den Menschen stammten. Sie schwebten überall umher und geleiteten langsam wie Schneeflocken auf den Boden.
Ich wendete mich ab. Was ist das für ein Wald? Wie ist er entstanden und warum ist er hier? Das alles fühlte sich nicht real an. Ich lief langsam los. Ich blickte nicht zurück, denn ich wusste genau, dass sich in meinem Rücken immer noch das selbe abspielt. Ich überlegte mir, wie es wohl aussähe, wenn die ganze Welt von dem Wald verschlungen wäre. Wir können es nicht aufhalten. Es wurde wärmer und der Nebel löste sich auf. Meine Einheit wartete auf mich. Unsere Mission war gescheitert.